Einsatz des Lichtbogenlötens zum Fügen von Anbauteilen an schwingend hoch beanspruchten Stahlkonstruktionen

In vielen Branchen des Stahlbaus besteht die Notwendigkeit, Anbauteile ohne primär tragende Funktion an schwingend beanspruchte Konstruktionen anzuschweißen, was zu geometrischen und metallurgischen Kerben führt und Einfluss auf die Lebensdauer sowie Bemessung in Hinblick auf Materialstärke und den Einsatz hochfester Stähle hat. In dem Projekt wurde untersucht, ob das aus der Feinblechverarbeitung bekannte Lichtbogenlöten mit Kupferbasisloten zur Substitution von Schweißprozessen im Stahlbau geeignet ist unter besonderer Berücksichtigung der Schwingfestigkeit und statischen Beanspruchbarkeit. Die umfangreichen experimentellen und numerischen Untersuchungen zeigen, dass durch den Einsatz des Lichtbogenlötens zum Fügen von Anbauteilen die Lebensdauer der Gesamtkonstruktion um bis zu 500 % ohne Schweißnahtnachbehandlungsaufwand verlängert werden kann. Dadurch können am Beispiel eines Stahlrohrturmes für Windenergieanlagen bis zu 50t Gewicht eingespart werden ohne die statische Tragfähigkeit der Anbauteile zu reduzieren.

Typische Anbauteile in Stahlrohrturm für Windenergieanlagen
© Fraunhofer IGP
Typische Anbauteile in Stahlrohrturm für Windenergieanlagen
Vergleich Mikroschliffe MSG-Schweißnaht (links) und MSG-Lötnaht mit Kupferbasislot (rechts)
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Vergleich Mikroschliffe MSG-Schweißnaht (links) und MSG-Lötnaht mit Kupferbasislot (rechts)
	Numerische Untersuchungen zur Spannungskonzentration am Nahtfußpunkt bei geschweißten und gelöteten Anbauteilen (Quelle: Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Konstruktion und Entwurf)
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Numerische Untersuchungen zur Spannungskonzentration am Nahtfußpunkt bei geschweißten und gelöteten Anbauteilen (Quelle: Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Konstruktion und Entwurf)

Motivation

In vielen Bereichen des Stahl- und Maschinenbaus ist es notwendig, un- bzw. statisch belastete Anbauteile an zyklisch beanspruchte Konstruktionen anzuschweißen. Bei den Details handelt es sich um so genannte sekundäre Bauteile, die nicht zur primären Tragstruktur gehören und in der Regel einem geringen Beanspruchungsniveau ausgesetzt sind. Die Anbauteile werden in der Regel an die Hauptstruktur angeschweißt und führen bei dynamischer Belastung zu einer erheblichen Kerbwirkung. 

Daher sind diese Anbauteile entscheidend für die Schwingfestigkeit der gesamten Struktur und damit auch für deren Blechstärke, Design und Materialauswahl. Neben Anbauteilen in Form geschweißter Buchsen für die Befestigung von Plattformen, Leitersystemen oder Kabelkanälen an den Stahltürmen für Windkraftanlagen sind derartige Details in nahezu jeder metallbaulichen Branche zu finden (Halter für Hydraukleitungen, Regenrinnen, Rohrdurchführen). Die aktuelle Konstruktionspraxis zeigt, dass insbesondere im Rahmen des Betriebsfestigkeitsnachweises angeschweißte Anbauteile aufgrund der lokalen Kerbwirkung für die Bemessung und Lebensdauer der Gesamtstruktur immer relevanter werden. Derartige Schweißdetails sind in vielen Bereichen des Stahlbaus in den jeweiligen Regelwerken und Richtlinien mit entsprechend ungünstigen auslegungsrelevanten Kerbfallklassen (FAT-Klassen) vermerkt (z.B. EN 1993-1-9; 2012; IIW-Guidelines; EN 13001-1-3, 2013). Existierende Verfahren zur Verbesserung der Schwingfestigkeit von Schweißdetails sind stets mit zusätzlichen Arbeitsaufwand und Kosten verbunden und weisen z.T. erhebliches Fehlerpotential auf. Es besteht daher ein grundsätzliches Interesse seitens der Industrie, die Kerbwirkung kostengünstig und effektiv zu minimieren.

Lösung

Es wurde der Ansatz verfolgt, das MSG-Schweißen von Anbauteilen durch den Prozess des Lichtbogenlötens mit Kupferbasisloten zu ersetzen. Das Verfahren ist seit langem im Automotive-Bereich zum Fügen verzinkter Feinbleche etabliert und zeichnet sich durch eine reduzierte Energieeinbringung aus. Dadurch soll die metallurgische Kerbwirkung durch den Fügeprozess reduziert werden. Zusätzlich reduziert der geringe Elastizitätsmodul der Cu-Lote die Dehnungsbehinderung durch das Anbauteil bei dynamischer Last und damit auch die Hauptspannungen am Nahtfußpunkt. Es wurde zunächst ein geeignetes Lot vom Typ CuAl7 und Strategien zur Verarbeitung im Grobblechbereich mit dem MIG-Lötprozess identifiziert. 

Zum Nachweis der Schwingfestigkeitverbesserung wurden umfangreiche Wöhlerversuche an normal- und hochfestem Baustahl durchgeführt. Zusätzlich wurden geometrische Einflüsse der Blechdicke sowie der Anbauteile auf die Schwingfestigkeit untersucht und numerisch beschrieben. Basierend auf experimentellen Untersuchungen wurde zudem ein Bemessungsmodell für statische Beanspruchung von Anbauteilen formuliert. Durch umfangreiche metallografische Untersuchungen konnten werkstoffliche Phänomene und Zusammenhänge der Technologie erklärt werden.  

Ergebnisse

Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass durch die Substitution des Schweißens durch das Lichtbogenlöten eine signifikante Kerbfallanhebung bis zur Kerbfallklasse 100 bei der Bemessung ohne zusätzliche Schweißnahtnachbehandlung erreicht werden kann. Zudem ist der geometrische Einfluss der Anbauteile sowie der Blechdicke nicht nachweisbar. Für die statische Bemessung kann der Ansatz aus dem Eurocode für Schweißnähte übernommen werden Die Beanspruchbarkeit des Lotes CuAl7 entspricht dabei mindestens dem eines konventionellen Baustahls, was für die meisten Anwendungen dieser Details ausreichend ist. Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wurde zudem nachgewiesen, dass das Lichtbogenlöten für die betrachteten Details schon ab Losgröße 1 günstiger ist als sämtliche Schweißnahtnachbehandlungsverfahren zur Verbesserung der Schwingfestigkeit, da kein zusätzlicher Nachbearbeitungsaufwand anfällt. Es konnten konkrete Kerbfallklassenempfehlungen für die jeweiligen Details formuliert werden, welche in Kürze in entsprechende Anwendungsnormen überführt werden sollen.  

Projektpartner

  • Universität Stuttgart - Institut für Konstruktion und Entwurf

Förderhinweise

Das IGF-Vorhaben 29 EWBG / VP 1282 "Einsatz des Lichtbogenlötens zum Fügen von Anbauteilen an schwingend hoch beanspruchten Stahlkonstruktionen" der FOSTA – Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V., Düsseldorf, wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Das Vorhaben wird am Fraunhofer IGP und dem Lehrstuhl für Konstruktion und Entwurf der Universität Stuttgart durchgeführt.