Lebenszyklusübergreifende Qualitätssicherung umformtechnischer Fügeverbindungen von Aluminiumknetlegierungen mittels Körperschallanalyse

Strukturelle Leichtbaukonzepte prägen die Entwicklung moderner und innovativer Verkehrsmittel in den Bereichen des Automobil- und Schienenfahrzeugbaus als auch in der Luftfahrtindustrie. Sie liegen im Fokus eines ressourceneffizienten, multimateriellen Werkstoffeinsatzes und gehen mit hohen Qualitätsanforderungen einher. Dies betrifft insbesondere die Fügetechnik, die eine werkstoffgerechte Verarbeitung und Integration der gewichts- und festigkeitsoptimierten Materialien gewährleisten muss. Nietverbindungen nehmen hierbei eine Sonderstellung ein und sind branchenübergreifend etabliert. Aktuelle Entwicklungen befassen sich z. B. mit dem Einsatz von Vollstanznietelementen oder selbststanzenden Schließringbolzen für das robotergestützte Fügen großformatiger Segmente in der Flugzeugendmontage.

© Scheer, G.; Frische, L.; Meier, T.; Multifrequency Eddy Current Inspection of Rivetrows in Aircraft Structures
Veranschaulichung von Ermüdungsrissen innerhalb einer gefügten Struktur
© Fraunhofer IGP

Problemstellung

Bei den eingebrachten Nietlöchern handelt es sich um geometrische Kerben, die im Laufe der Nutzung Ausgangspunkt von strukturellen Schäden, bspw. in Form von Ermüdungsrissen (Haarrissen), sein können. Aluminiumknetlegierungen, die im strukturellen Leichtbau weit verbreitet sind, erweisen sich darüber hinaus als besonders rissanfällig: Sie besitzen einerseits eine hohe Duktilität sowie gute Festigkeits- und Härteeigenschaften und eignen sich daher als idealer Leichtbauwerkstoff, andererseits weisen sie eine auf ein Drittel reduzierte Dauerfestigkeit im Vergleich zu Stahl auf und können durch ihren substanziell geringeren Schwellwert des Ermüdungsrisswachstums Risse ausgehend von Nietverbindungen begünstigen. Um frühzeitig Veränderungen an einer Fügeverbindungen festzustellen, werden besonders sicherheitsrelevante Verbindungsstellen in festen Intervallen aufwendig überprüft. Hierzu werden einzelne Verbindungselemente ausgebohrt und die freigelegten Lochwandungen von erfahrenen Prüftechnikern mithilfe spezieller Wirbelstrom-Rotiersonden auf Anrisse im Bauteil untersucht.

Zielstellung und Lösungsweg

Das beschriebene Vorgehen der „quasi-zerstörungsfreien“ Inspektion von Nietverbindungen offenbart ein hohes Optimierungspotential, welches es im Rahmen des Forschungsvorhabens zu untersuchen gilt. Mittels akustischer Schallemissionsanalyse wird zunächst der Ist-Zustand einer Nietverbindung unmittelbar nach Installation des Fügeelements bestimmt. Die zerstörungsfrei ermittelten Akustikmerkmale im Zeit- und Frequenzbereich dienen als Referenz und sind für den Vergleich mit späteren Messungen essenziell. Vorlochfrei hergestellte Vollstanzniet- sowie vorlochbehaftete Vollnietverbindungen werden ausgehend von ihrem Ausgangszustand mit einer statischen als auch zyklischen Last beaufschlagt. Anschließend erfolgt erneut die zfP, ohne hierbei den Niet auszubauen. Veränderungen in den Akustikmerkmalen werden den entsprechenden Lastsituationen zugeordnet. Die komplexen Schallsignale dienen schließlich als Datenbasis für das Training eines geeigneten Auswertealgorithmus zur objektiven Interpretation der Messdaten, um den Einfluss eines Prüfers auf die Ergebnisgüte der zfP zu reduzieren. Das Ziel besteht folglich in einer gleichermaßen zuverlässigen sowie effektiven Methode zur praxisgerechten zfP von Fügeverbindungen und entsprechend frühzeitigen Identifikation von Defekten während fest definierter Wartungsintervalle.

Nutzen

Zum einen liefern die Versuche Erkenntnisse hinsichtlich der Sensitivität des zfP-Verfahrens bezogen auf die detektierbare Größe einer Veränderung an einer betriebsbeanspruchten Fügestelle. Zum anderen wird mit der Routine zur objektiven Messdatenauswertung ein nützliches Hilfsmittel erarbeitet, um kosten- und zeitintensive Qualifizierungsmaßnahmen des Prüfpersonals zu minimieren. Weiterhin können mit der routinemäßigen Überprüfung von Verbindungsstellen Kosten für Instandhaltung und Revisionsarbeiten gesenkt werden, indem Inspektionsintervalle effektiver geplant und insgesamt eine höhere Sicherheit erreicht wird. Gleichzeitig ist die zerstörungsfreie Prüfmethodik in einer Vielzahl von Industriezweigen anwendbar. Dies gilt insbesondere für Branchen mit zukunftsweisenden Technologien, gekennzeichnet bspw. durch eine fortschreitende Verarbeitung von gewichts- und festigkeitsoptimierten Werkstoffen und den damit einhergehenden Fügeverbindungen.

Förderhinweise

Das IGF-Vorhaben 22395 BR der AiF-Forschungsvereinigung Stifterverband Metalle e.V., Wallstraße 58/59 in 10179 Berlin, wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Für die finanzielle Förderung und die organisatorische Betreuung sei an dieser Stelle gedankt. Weiterer Dank gilt allen kooperierenden Industriepartnern für die gute Zusammenarbeit im Rahmen des Projektes.